Berlin 4. Mai 2018
Historisches zu unserem Objekt in der Westendallee
„Es sang eine Nacht …
Eine Nachti …
Ja eine Nachtigall am Sachsenplatz
Heute morgen. – Hast du in Berlin
Das je gehört? – Sie sang, so schien
Es mir, für mich, für Ringelnatz.
…
Nachtigall,
Besuche bitte ab und zu
Den Sachsenplatz;
Dort wohne ich. …“
(Joachim Ringelnatz)
Den Blick auf den grünen Sachsenplatz, der heute Brixplatz heißt, und vielleicht auch den Schlag der Nachtigall genießen die Bewohner der Anlage Westendallee 77 bis 91. Der Namensgeber für den Platz, Josef Brix, war Professor des Städtebaus an der Technischen Hochschule in Charlottenburg (heute TU Berlin).
Die Wohnanlage Westendallee 77 bis 91 befindet sich am grünen Westsaum von Neu-Westend, das ab 1913 entstand. Schon 1909 erhielt die Straße ihren Namen nach der nahen Villenkolonie Alt-Westend. Diese wiederum orientierte sich am Londoner Vorbild. Wie dieses war auch der Berliner Vorort durch die Hauptwindrichtung aus Westen begünstigt.
Die Erschließung des Terrains zwischen Reichsstraße und Westendallee erfolgte mit dem Verkehrsausbau von Süden her. Am damaligen Reichskanzlerplatz (heute Theodor-Heuß-Platz) wurde 1908 die U‑Bahn eröffnet, im darauf folgenden Jahr der S‑Bahnhof Heerstraße. Als mit der Rennbahn Grunewald 1913 die U‑Bahn-Station Stadion dazukam, unterfuhren die Züge den Bahnhof Neu-Westend, der erst ab 1922 benutzbar war.
Da im Krieg kein Wohnungsbau stattgefunden hatte, herrschte 1918 ein drastischer Mangel an Unterkünften. Dennoch standen 1920 an der Westendallee schon eine ganze Anzahl Reihenhäuser. Nun wurde der Staat als Bauherr aktiv, wie zum Beispiel die Reichsbank, die für ihre Beamtenschaft Siedlungsbauten errichten ließ. In den Jahren 1921 bis 1923 baute die Industriebau AG im Auftrag der Stadt und Land GmbH den Wohnkomplex Westendallee 77 bis 91 nach Plänen, die das Entwurfsbüro der Reichsbank angefertigt hatte. Nahezu alle dort wohnenden Haushaltsvorstände waren Beamte dieser Institution.
Diese Wohnanlage wies durch beste Verkehrsanbindung eine hervorragende Stadtrandlage auf. Ganz in der Nähe lockten bis Ende der 1930er Jahre die legendären Gaststätten Spandauer Bock und Zibbe nicht nur Ausflügler an. Diese Lage im Grünen bei bestem Verkehrsanschluss schätzten zahlreiche Prominente, zumal wegen der grünen Attraktionen am Brixplatz (früher Sachsenplatz): Diesen ließ Gartendirektor Erwin Barth 1919 bis 1921 als Nachbildung einer märkischen Landschaft anlegen. Am Rand des Platzes gibt es einen Schulgarten und einen Kinderspielplatz. Gerade wurde die Pergola aus Robinienholz restauriert.
Am Brixplatz waren die Schauspielerinnen Hilde Körber zuhause und Anny Ondra, die mit dem Boxweltmeister Max Schmeling verheiratet war; auch die Schauspielerin Henny Porten und ihr Kollege Walter Rilla, der ebensowenig wie Joachim Fuchsberger aus den Edgar-Wallace-Filmen der 60er Jahre wegzudenken ist, wohnten hier. Die Wohnung des Ehepaares Paul und Gertrud Hindemith lag im Haus Brixplatz 2. Auch der eingangs zitierte Joachim Ringelnatz und seine Frau Leonharda, die er „Muschelkalk“ nannte, fühlten sich hier wohl. Welch passender Name, denn die Gestaltung des in einer Kiesgrube angelegten Platzes zeigt Vegetationsformen der Mark Brandenburg und imitiert die Rüdersdorfer Kalkfelsen!
Wir bedanken uns bei Dr. Dorothea Zöbl aus Berlin für diesen Beitrag. Foto: Von OTFW, Berlin — Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9514493